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BFH beendet Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens auf Bauträger

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RA/StB Dipl.-Kfm. Sören Reckwardt

RA/StB Dipl.-Kfm. Sören Reckwardt, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger, das sog. Reverse-Charge-Verfahren, bereitete bislang besonders im Hinblick auf die Steuerschuldnerschaft von Bauträgern erhebliche Schwierigkeiten. Mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, DB0632187) hat der BFH die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung verworfen. Bei reinen Bauträgern ist nun eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG ausgeschlossen.

Ausgangslage

Gemäß § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG (entspricht § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005) findet das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung, wenn ein Unternehmer Werklieferungen und sonstige Leistungen empfängt, die der Herstellung, Instandsetzung und -haltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen; § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG), und der Empfänger seinerseits eben solche Leistungen erbringt.

Das BMF sorgte in diesem Zusammenhang durch Änderung seiner Rechtsauffassung mit Schreiben vom 16.10.2009 (vgl. Abschn. 182a Abs. 10ff. UStR bzw. später Abschn. 13b.3 UStAE) für Aufregung. Danach sei Reverse Charge anwendbar, sobald der Leistungsempfänger (Bauträger) derartige Bauleistungen selbst nachhaltig erbringt, was bereits vorliegen solle, wenn diese Bauleistungen mehr als 10% seines „Weltumsatzes“ darstellen. Hierbei sollte bereits als eine Bauleistung gelten, wenn der Bauträger Grundstücke noch während der Bauphase an seine Kunden veräußerte und diese auf die endgültige Bauausführung noch Einfluss nehmen konnten. Zudem genügte nach Ansicht der Finanzverwaltung die Erbringung jeglicher Werklieferungen und sonstiger Leistungen durch den Leistungsempfänger. Diese Regelungen führten zu erheblicher Rechtsunsicherheit und Anwendungsproblemen in der Praxis.

Urteil

Der BFH schränkt, u.a. unter Verweis auf den EuGH, in seinem Urteil § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 insoweit ein, als es für die Entstehung der Umsatzsteuerschuld fortan darauf ankommen soll, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Leistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Bei Nichtvorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen empfangener und erbrachter Bauleistung komme die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nicht in Betracht. Nach Ansicht des BFH ist eine derartige, einschränkende Auslegung unionsrechtlich geboten. Die bisherige Auffassung, die den Begriff der Leistungserbringung weder gegenständlich noch zeitlich einschränkte, sei mit Unionsrecht nicht vereinbar. Ließe man das Vorliegen jedweder Bauleistung genügen, würde auf Umstände abgestellt werden, die der Leistende im Regelfall nicht erkennt und auch nicht erkennen kann.

Für die Frage, ob der Leistungsempfänger bauwerksbezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, sei zwischen Generalunternehmer und Bauträger zu unterscheiden. Reverse Charge kommt nun regelmäßig nur noch bei Generalunternehmern, nicht mehr bei Bauträgern, in Betracht. Nach Ansicht des BFH baue der Generalunternehmer regelmäßig auf einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück, während der Bauträger in der Regel eigene Grundstücke bebaue. Das für das Vorliegen einer Werklieferung maßgebliche Kriterium der Be- oder Verarbeitung einer fremden Sache könne aber ausschließlich derjenige erfüllen, der ein fremdes Grundstück bebaut, mithin der Generalunternehmer. Eine Weiterlieferung des bebauten Grundstücks durch den Bauträger kann demnach keine bauwerksbezogene Werklieferung darstellen. Bietet ein Bauträger darüber hinaus Dienstleistungen als Generalunternehmer an, beurteile sich die Steuerschuldnerschaft nach dem Zusammenhang der erhaltenen und erbrachten Leistung. Entscheidend ist somit, ob die erbrachte Leistung eine Grundstücksübertragung oder Bauleistung darstellt.

Auch ermögliche das Erfordernis einer nachhaltigen Bauleistung keine zuverlässige Beurteilung. Regelmäßig könne nicht einmal der Leistungsempfänger selbst zeitnah beurteilen, ob er die entscheidende 10%-Grenze überschreitet. Darauf soll es daher zukünftig nicht mehr ankommen.

Darüber hinaus stellte der BFH klar, dass die Steuerschuldnerschaft entgegen der Finanzverwaltungsauffassung nicht zur Disposition der Parteien steht, sodass eine vertragliche Vereinbarung nicht allein einen Übergang der Steuerschuld begründen kann.

Praxisbedeutung

Im Ergebnis schafft der BFH mehr Rechtssicherheit, indem er einige Abgrenzungsschwierigkeiten und Unsicherheiten beseitigt. In der Zukunft wird es den beteiligten Unternehmen besser möglich sein zu erkennen, wer von ihnen die Umsatzsteuer schuldet. Jedoch entfällt die Möglichkeit, die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens durch vertragliche Vereinbarung vorab festzulegen. Der leistende Unternehmer sollte einen Nachweis einfordern, ob der Leistungsempfänger seinerseits eine Bauleistung erbringt oder nicht. Ferner sollten empfangene und erbrachte Leistungen und ihre Verwendung für das Unternehmen beiderseits vollständig dokumentiert werden.

Aufgrund des BFH-Urteils können Bauträger in bestimmten Fallkonstellationen und soweit die Bescheide noch änderbar sind, bereits abgeführte Umsatzsteuer von den Finanzämtern zurückfordern und zudem ggf. Erstattungszinsen einfordern. Den leistenden Bauunternehmer, der aufgrund der Rechtsauffassung des BFH nun zum Schuldner der Umsatzsteuer wird, sollte der erweiterte Vertrauensschutz des § 176 Abs. 2 AO (aufgrund Befolgung der bisher gültigen Umsatzsteuerrichtlinien) schützen.

Dem Vernehmen nach arbeitet das BMF bereits an einer Reaktion, die zeitnah erfolgen solle. Insbesondere konkrete Regelungen zur Erbringung der Nachweise in der Praxis wären hierin wünschenswert. Für Altfälle wird ferner eine Übergangsvorschrift erforderlich sein.


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